Planung und Steuerung ist für ein Unternehmen kein Selbstzweck, sondern nur Mittel zum Zweck. Der Zweck wiederum besteht darin, ein quantitatives Fundament für unternehmerische Entscheidungsvorbereitungen zu liefern. Für Manager und die ihnen zuarbeitenden Controller geht es fast ausschließlich darum, zielgerichtet zu entscheiden.
Simulationen im Rahmen von Szenarien sollen z.B. Entscheidungen im Hinblick auf Kapazitätsanpassungen (Investitionen, Desinvestitionen, Personal), Sortiment (Mix, Preise, Konditionensysteme), Durchführbarkeit von Absatz- und Produktionsplänen, Finanzierungsbedarfe und Kreditlinienausnutzung, DB-Optimierung, Liquiditätssicherung, Organisations- und Geschäftsprozessanpassungen etc. auf einer quantitativen Basis ermöglichen. Sie dienen damit der Entscheidungsvorbereitung.
Erst im nächsten Schritt werden aus Prognosen/Szenarien/Simulationen entsprechend abgeleitete Planungen. Planungen sind also im Gegensatz zu Prognosen zielgerichtete Maßnahmen auf Basis fundierter Entscheidungen. Das wird in der Praxis leider häufig verwechselt.
Ein Teilaspekt der Planung ist die sogenannte Planungsrechnung. Diese darf keinesfalls mit dem Prozess der Planung selbst verwechselt werden. Die Planungsrechnung soll in erster Linie die finanziellen Konsequenzen der im Planungsprozess getroffenen Annahmen, Entscheidungen und Maßnahmen transparent machen.
Die Qualität der Entscheidungsvorbereitung hängt insbesondere von der Abbildungsgenauigkeit der eingesetzten Modelle ab. Ein Unternehmen ist ein sozioökonomisches System, das eine sehr hohe Komplexität mit einer Vielzahl von Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Systemelementen aufweist. Die Modelle dienen dazu, diese Komplexität beherrschbar zu machen und das Wirkungsgefüge des Systems „Unternehmung“ auf die für das Überleben notwendigen Teilaspekte auszurichten.
Die für das Fortbestehen von Unternehmen wesentlichen Aspekte sind:
- Erwirtschaftung einer auskömmlichen Rentabilität
- Sicherstellung einer jederzeitig ausreichenden Liquidität
Die Rentabilität ist ein Vorlaufindikator der Liquidität.
Prägender Wesenskern von sogenannten FP&A oder FPM – Systemen (https://barc-research.com/barc-score/barc-score-financial-performance-management/), (https://www.gartner.com/en/finance/glossary/financial-planning-and-analysis-fp-a-) ist ihre Fokussierung auf reine Geldprozesse bzw. die geldwirtschaftliche Ebene von Unternehmungen. Diese Behauptung stützt sich u.a. auf die von ihnen verwendeten Modelle. Die unterste Ebene im Hinblick auf die Darstellung und Verknüpfung von Regeln und Rechenlogik bildet in diesen Modellen stets das Konto. Das Konto ist der entscheidende Informationsträger für das System der doppelten Buchführung. Es nimmt die finanzielle (wertmäßige) Abbildung einer Geschäftstransaktion auf und zeigt deren Auswirkung auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragssituation. Es leuchtet auf Anhieb ein, was an dieser Modellbildung problematisch ist. Die im Kontensystem abgebildeten Werte sind nämlich nur stark aggregierte Zahlenwerte von vorgelagerten Prozessen. Diese vorgelagerten Prozesse sind das Ergebnis vielfältiger Mengen-, Preis- und Zeitelemente. Insbesondere in der Industrie gibt es umfangreiche und komplexe Input-/Output-Verflechtungen deren wirtschaftliche Bewertung am Ende der Prozesskette zwar stets ihren Niederschlag im Kontensystem finden. Das Ergebnis dieser umfangreich verflochtenen Transaktionen kann allerdings nicht einfach durch einen substanzlosen Eintrag im Kontensystem vorweggenommen werden. Genau das wird aber von FPM-Systemen gemacht. Bei dieser Vorgehensweise werden letztlich abhängige (endogene) Variablen mit Werten belegt, ohne die unabhängigen (exogenen) Variablen ausreichend zu berücksichtigen. Abhängige Variablen werden auch als Reaktionsvariablen bezeichnet. Die exogenen Variablen bestimmen also das Verhalten der endogenen Variablen.
Einfacher formuliert: FPM-Systeme erfassen Werte in einer finanzwirtschaftlichen Buchhaltungslogik, deren sachgerechte Berechnung nur auf der Ebene der leistungswirtschaftlichen Güterprozesse stattfinden kann. Es werden demnach ohne sachliche Grundlage Werte erfasst, die zugleich das Fundament einer entscheidungsorientierten Planungsrechnung bilden sollen. Ein Widerspruch in sich!
Für die Planung und Steuerung wird eine betriebswirtschaftlich fundierte „Mess- und Regeltechnik“ benötigt, die der Komplexität insbesondere von Industrieunternehmen gerecht wird. Nur so sind Unternehmen in der Lage, den Steuerungsproblemen der sogenannten VUCA-World zu begegnen. Leider wird der Inhalt und die Qualität der in Softwaresystemen verwendeten Modelle in Seminaren, Webinaren und auf digitalen Marktplätzen so gut wie nie thematisiert. Stattdessen wird der Fokus auf bunte Oberflächen, Dashboards und einfachste stets wiederkehrende Use Cases gelegt.
Dabei wird völlig verkannt, dass auch die zukünftig innerhalb der EU stark regulierte Ökobilanzierung (siehe CSRD/ESRS, EU-Taxonomie, SFDR etc.) sich logischerweise nicht auf Geld-, sondern auf güterwirtschaftliche Prozesse stützt. Dies hat bereits zu diversen, völlig fehlkonzipierten „ESG-AddOns“ geführt, die das Problem mit umfangreichen Datensammlungen und Texterfassungsmasken zu lösen versuchen. Energieverbräuche, Abfälle, Emissionen, Schadstoffe etc. lassen sich nur auf der Ebene von konkreten Ressourcenverbräuchen berechnen und darstellen. Genau aus diesem Grund eignen sich FP&A/FPM-Systeme auch nicht zur Realisierung einer ganzheitlichen, integrierten Umweltkosten- und Umweltwirkungsrechnung die wiederum Grundvoraussetzung für die Berechnung der meisten KPI und Datenpunkte im Hinblick auf die o.g. Regulatorik sind.
Zu welchen Fehlern die unzweckmäßig konstruierten Modelle der FP&A/FPM-Systeme führen können, soll im nächsten Teil dieser Serie anhand von ausgewählten Beispielen belegt und betrachtet werden.